Wednesday, April 24, 2013

Polaroidalbum

"Der erste Kuss war Erdbeerbowle und Spucke,
wie ein Polaroid im Regen: leicht verschwommen" - Bosse (Schönste Zeit)
Bosse hören - das ist wie im Fotoalbum blättern. Mittlerweile ist das Album ziemlich dick.
Und dann kramt man es nach langer Zeit wieder raus und beim Anblick der Bilder werden Erinnerungen wach. Erinnerungen, die man zwar eigentlich immer bei sich trägt, die aber dennoch immer mehr verschwimmen: Wie Polaroids im Regen.

Bosse gestern in der Batschkapp, das war ein bisschen wie Polaroids "entwickeln": Die ersten Töne, der Auslöser. Und mit der Melodie erscheint dann langsam, ganz langsam, das Bild. Erst schemenhaft, dann noch etwas fahl und schließlich ist es da: das Bild und auch die Erinnerung.

Sommer lang. Es ist Februar. Die Sonne scheint mir beim Joggen heiß auf die Schultern, der rote Boden von Arizona umhüllt meine Schuhe wie frisch vom Tennisplatz. Ich bin froh, genau jetzt genau hier zu sein: "Der Sommer ist noch lang [...] Und every day's like a new beginning."

Roboterbeine. Magisterarbeit, Bewerbungen schreiben. Zukunftsangst. Ungewissheit: "Und ich laufe so/ Gegen mein Gefühl/ Und ich laufe so/Wie auf Roboterbeinen".

Tanz mit mir. Southside Festival 2007. Wir stehen mittags im Nieselregen vor der Bühne, die Füße fest im Schlamm, die Gummistiefel jucken. Und Bosse steht da auf der Bühne und singt: "Komm schon und tanz mit mir/ lass doch den Trübsinn hinter dir/ Die Band zieht sich aus für dich/ und du bewegst dich nicht [...] Zieh deine Regenjacke aus/ zieh bitte diese Regenjacke aus."

Es ist 2013 und ich stehe wieder vor einer Bühne. Und es wird getanzt. Mit dem Publikum, mit dem "alten Affen Angst". Fröhlich ungelenk zu Bossa Nova, zu Salsa. Und all die verschwommenen Polaroids in meinem Kopf werden plötzlich wieder scharf.

Für das Interview, das ich im Februar geführt habe, habe ich all die Lieder, die fünf Alben noch einmal gehört. Keines so intensiv wie "Schönste Zeit". Doch live strahlen die Farben der musikalischen Polaroids viel heller.



Nur "Kraft" hat gefehlt. "Dort, wo alles begann" - 2005 mein persönliches Abi-Erinnerungslied. Durchgemachte "Redaktionsnächte" für die Abi-Zeitung und dazu diese Hymne: "Ich strecke meine Kraft entgegen / Stillstand ist Vergangenheit/ Wir haben nur ein Leben / In Zukunft wird es bunter sein".

Das erste Bosse-Konzert in der Krone in Darmstadt. Verschimmelte Wände und vielleicht 40 Menschen im Publikum. Schlossgrabenfest, Nachtleben, Centralstation, das Publikum wurde nur langsam größer. Und jetzt eine ausverkaufte Tour.

Die schönste Erinnerung aber, teile ich mit nur sehr wenigen (meinen allerliebsten) Menschen:


"Guten Tag, Bosse mein Name", tönt es durch die Sprechanlage. Kurz darauf steht er, Aki Bosse, bepackt mit Gitarrenkoffer, noch etwas verpennt bei mir auf der Fußmatte. Frühmorgens aus Hamburg angereist - gerade rechtzeitig zum Brunch -,  um unsere noch ganz frische WG einzuweihen. Tennisbesockt sitzt er auf unserem IKEA-Klappstuhl und spielt ein Privatkonzert. Es war ein guter Start in Mainz. Lang ist's her. Doch die Polaroids in meinem Kopf die bleiben. Auch das ist "the opposite of loss."

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Allen, die Polaroids genauso mögen, wie ich - und zwar nicht nur die metaphorischen -  sei das Poladroid Project empfohlen. Runterladen, installieren, virtuelle Polaroid-Kamera starten und dann kann es auch schon losgehen: Einfach das gewünschte Foto auf die Kamera auf dem Desktop ziehen und.... klick! Polaroid geschossen. Jetzt darf man das kleine Bildchen noch ein bisschen mit dem Mauszeiger schütteln und langsam erscheint Motiv - ganz so wie früher eben :)

No comments:

Post a Comment